Ein Prosit und viele Erinnerungen
Bewohner des Vincentinums zu Besuch auf der Wiesn
„Oans, zwoa, drei, gsuffa!“ Gräfin Barbara Strachwitz setzt das Glas an ihre Lippen und nimmt einen Schluck von ihrer Apfelschorle. Die 91-Jährige strahlt. Sie sitzt im roten Dirndl und Janker mitten im Hacker-Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest, wippt im Takt der Blasmusik mit und genießt das bunte Treiben. „Von Anfang an mag ich die Wiesn gerne. Das habe ich schon von jeher genossen.“ Schiffsschaukel sei sie früher gerne gefahren. Nur den Überschlag, den habe sie sich dann doch nicht getraut.
Viele Erinnerungen an vergangene Zeiten kommen hoch. Nicht nur bei Gräfin Strachwitz, auch bei den anderen sechs Bewohnern des Senioren- und Pflegeheims Vincentinum. Die kleine Gruppe besucht zusammen mit Betreuer Georg Fleischer und vier ehrenamtlichen Helfern die Wiesn. Ein Highlight für alle. Auch wenn der Ausflug eine kleine logistische Herausforderung ist. „Im Vorfeld muss man schauen, welche Bewohner wollen, welche können und dann direkt in dem Moment muss man noch mal schauen, dass man die Medikamente für die Bewohner dabei hat, dass die Bewohner richtig angezogen sind, dass man alles in kleine Taschen verpackt, weil ein großer Rucksack, geht ja nicht“, erklärt Fleischer. Er schaut kurz auf die Uhr. Und nun sei es an der Zeit, die Medikamente zu verteilen.
Heidelore Oberle zieht mit der Gabel ein Stück Hähnchenfleisch vom Knochen. „Sehr knusprig. Das war sehr gut. Und die Haut ist natürlich das Beste“, sagt die 82-Jährige. Auf Einladung des Sozialreferats der Stadt München lassen sich die Bewohner des Vincentinums ein Mittagessen im Festzelt schmecken. Ein halbes Hendl mit Brezn und eine Maß Bier oder wahlweise Apfelschorle steht vor den Senioren. „Das ist schön. Man ist zusammen und in freundlicher Runde und kann sich unterhalten und prosten“, sagt Heidelore Oberle. Die Blaskapelle auf der Bühne stimmt einen flotten Marsch an. Oberle legt Messer und Gabel zur Seite und klatscht im Takt mit.
Nach dem Essen gibt es für alle noch ein Lebkuchenherz. Christine Hönig hängt es sich um den Hals. Sie lächelt. Die Wiesn, „das hab ich schon so lange nicht mehr gehabt“, erzählt die 85-Jährige. Früher sei sie oft auf dem Oktoberfest gewesen. Sie deutet im Zelt in die Runde. Auf den Tischen habe sie gestanden und getanzt – damals. „Es ist schön, noch mal wieder hier zu sein.“
Möglich ist der Ausflug dank der ehrenamtlichen Helfer. „Ich nehme mir die Zeit gerne, weil ich weiß, es bringt Farbe in den Alltag von den Leuten und sie zehren noch so lange davon, wenn sie so ein Event hatten“, sagt Sabine Schweizer. „Keiner von den Bewohnern würde allein noch mal hierhergehen.“ Auch Werner Nadler, seit gut acht Jahren ehrenamtlich für das Vincentinum im Einsatz, weiß um die Bedeutung des Ausflugs: „Das ist immer sehr schön für die Bewohner, dass die mal rauskommen und das wahre Leben auch miterleben können.“ Und dank des Fördervereins des Vincentinums kann die Gruppe bequem per Taxi zum Festgelände und wieder Heim fahren – und eine Runde gebrannte Mandeln für jeden Bewohner ist auch drin.
Georg Fleischer löst die Bremsen am Rollstuhl von Gräfin Barbara Strachwitz und bugsiert sie geschickt durch die Menge zum Zeltausgang. Draußen hat ein Nieselregen eingesetzt. Regenponchos werden übergestreift und Schirme aufgespannt. Ein Sechsspänner steht in der Wirtsbudenstraße. Heidelore Oberle stützt sich am Arm von Sabine Schweizer und gemeinsam bewundern sie die großen Kaltblüter. „Schön. Einfach schön“, sagt Oberle leise.